Manipulative Berichte über die Änderung des Streikrechts in Griechenland

Manipulative Berichte über die Änderung des Streikrechts in Griechenland

Manipulative Berichte über die Änderung des Streikrechts in Griechenland – Ein Beispiel für die Stimmungsmache gegen die Syriza-Regierung.

Im ersten Teil dieses Beitrages wollen wir zum Thema “Änderung des Streikrechts in Griechenland” über die Ausgangssituation, über die Verhandlungen mit der Troika und über den Kompromiss informieren.

Manipulative Berichte über die Änderung des Streikrechts in Griechenland – Fehlerhafte bzw. selektive Berichterstattung

Zunächst einmal haben wir einige Hintergrundinformationen zusammengestellt, die notwendig sind, um die Kompromiss-Einigung der Syriza-Regierung besser zu verstehen bzw. besser beurteilen zu können.

Dazu gehören Informationen wie die Strukturformen der griechischen Gewerkschaftsorganisationen, der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Arbeitnehmer und die Größe der griechischen Betriebe nach Mitarbeiterzahl.

Wir beschreiben auch die bisherige Regelung des Streikrechts in Griechenland und informieren über die arbeitsrechtlichen Forderungen der Institutionen (Troika).

Wir wollen die wichtigsten Fakten/Informationen und ihre Quellen möglichst in einer kurzen Form darstellen.

Der zweite Teil des Beitrages zeigt anhand von Zitaten und die dazugehörigen Quellen, wie die führenden Medien in Deutschland über das Thema “Änderung des Streikrechts in Griechenland” berichtet haben.

Teil I

Es gibt in Griechenland drei Stufen der gewerkschaftlichen Organisationsformen:

  • Die primärstufigen Organisationen, die nach Berufs-, Branchen-, Betriebs-, Orts-, Landes- und Filialebene organisiert sind. Sie können mittels Einberufung einer Generalversammlung Streiks ausrufen.
  • Die zweite Stufe sind die Arbeiter-Zentren und die Verbände. Sie sind zuständig für die Organisation und Ausrufung von regionalen und landesweiten Streiks.
  • Die dritte Form sind die Dachverbände (ΓΣΕΕ¹ / ΑΔΕΔΥ²). Sie organisieren und rufen landesweite Streiks ihrer Mitgliedsverbänden aus.

Der gewerkschaftliche Organisationsgrad der griechischen Arbeitnehmer beträgt derzeit ca. 8,5%  und  die Größe der Betriebe mit bis zu 10 Mtarbeiter beträgt 89,2%.

¹ΓΣΕΕ: gewerkschaftlicher Dachverband für die private Wirtschaft
²ΑΔΕΔΥ: gewerkschaftlicher Dachverband für den öffentlichen Dienst

Die bisherige Regelung des Streikrechts

Die gesetzliche Grundlage für die legale Ausrufung eines Streiks ist der Artikel 8 des Gesetzes Nr. 1264/1982

Konkret heißt es in Artikel 8 Absatz 2: … für die Durchführung einer Aussprache(z.B. bezüglich einer Streikausrufung) und für die Beschlussfassung während einer Generalversammlung ist die Anwesenheit von mindestens einem Drittel der beitragszahlenden Gewerkschaftsmitglieder notwendig. Für die Beschlussfassung ist die relative Mehrheit notwendig.

Sollte die nötige Zahl der Mitglieder bei der ersten Versammlung nicht zustande kommen, wird eine zweite einberufen, die dann nur noch 1/4 der Mitglieder benötigt. Für die Beschlussfassung des Streiks ist aber eine 3/4-Mehrheit notwendig.

Die dritte und letzte Einberufung erfordert eine Anwesenheit von nur noch 1/5 der Mitglieder; sie benötigt allerdings  auch eine verstärkte Mehrheit von 3/4 für die Beschlussfassung des Streiks.

Die arbeitsrechtlichen Änderungsforderungen der Institutionen (Troika)

1) Aussperrung, 2) längere Ankündigungsfrist eines Streiks, 3) Regelung für die Entlassung von Gewerkschaftsfunktionären, 4) Legalisierung von Massenentlassungen, 5) 50%-Anwesenheitsregelung von Gewerkschaftsmitgliedern auf alle drei Stufen der Gewerkschaftsorganisationen

Die Kompromiss-Einigung mit der Troika

Die neue Regelung erfordert statt bisher 30% eine 50%-Mindestanwesenheit, wobei aber für die Beschlussfassung eines Streiks reicht dann nur die relative Mehrheit der anwesenden beitragszahlenden Mitglieder.

Diese Regelung betrifft nur die Primärorganisationen der Gewerkschaften und konkret diejenigen, die nur auf Betriebs-und Ortsebene organisiert sind.

Bei allen anderen Primärorganisationen und höheren Organisationsstufen der Gewerkschaften bleibt alles unverändert, d.h. für die Beschlussfassung von Streiks reichen nur noch die Vorstandsbeschlüsse.

Unter Berücksichtigung des Organisationsgrades der griechischen Arbeitnehmer und der Größe der meisten Betriebe kann man leicht ausrechnen, dass diese neue Regelung keine relevante Bedeutung für die Streikfähigkeit der Gewerkschaften haben wird.

Für die Syriza-Regierung war sehr wichtig bei der Verhandlung, dass durch diese Kompromiss-Einigung alle anderen arbeitsrechtlichen Änderungsforderungen der Institutionen (Troika) weggefallen sind!

Darstellung der Kompromiss-Einigung (Ein Beispiel von der Arbeitsministerin selber)

Ein Betrieb hat z.B. 150 Mitarbeiter und die primärstufige Gewerkschaftsorganisation hat davon nur 100 Gewerkschaftsmitglieder. Von den 100 Gewerkschaftsmitgliedern zahlen aber nur 80 Mitglieder ihren Beitrag, d.h. sie sind aktiv. In diesem Fall müssen nach der neuen Regelung 40 Mitglieder anwesend sein. Wenn 20 davon für den Streik stimmen, 10 dagegen und 10 enthalten sich der Stimme, dann ist die Streikausrufung legal und genehmigt.

Hauptreaktionen der griechischen Oppositionsparteien

Einige Protestparolen der KKE (Kommunistische Partei Griechenlands) lauteten z,B.: “Die neue Regelung bedeutet Abschaffung des Streikrechts”, oder ” Die neue Regelung ist der Anfang für die Abschaffung des Streikrechts” oder “Betriebe mit 500 Mitarbeiter werden Schwierigkeiten haben Streiks zu organisieren”

Die Konservativen (Neue Demokratie) schlugen sogar vor, dass die 50%-Marke der Anwesenden gleichzeitig auch für die Beschlussfassung gelten soll.

Außerdem verlangten die Konservativen, dass die neue Regelung  auch auf die höheren Organisationsstufen der Gewerkschaften ausgeweitet werden soll.

Nachstehend einige Antworten der Arbeitsministerin:

“Die Konservativen identifizieren sich voll mit den Forderungen des internationalen Währungsfonds”

Die KKE-Abgeordnete sollen nochmals sagen, ob sie tatsächlich die neue Regelung als Abschaffung… des Streikrechts verstehen.

Sie (die Abgeordnete) verstehen wirlicklich nicht, dass sie durch solche Übertreibungen und falschen Behauptungen das Gegenteil erreichen; ja sie fördern sogar dadurch den Defäntismus der Arbeitnehmerschaft.

Die KKE soll nicht vergessen, dass 90% der griechischen Betriebe nicht mehr als 20 Mitarbeiter haben (davon 89,2% sogar bis zu 10 Mitarbeiter). Das ist der Grund, warum eine Mobilisierung für eine höhere Anwesenheit der aktiven Gewerkschaftsmitglieder nicht das Problem sein wird.

Es ist bekannt, dass die gewerkschaftliche Organisation PAME (Gewerkschaftsorganisation der KKE) für die primärstufigen Gewerkschaftsorganisationen, die nur auf betriebliche und örtliche Ebene organisiert sind, nicht besonders interessiert war und ist…

Manche meinen (gemeint sind die Mitglieder der PAME), dass die “politische Intelligenz” nach Dezibel… gemessen wird.

Τα Fake News και η φύση των ειδήσεων

Teil II

Berichterstattung der Medien in Deutschland

Bei der Beurteilung der nachstehenden Berichte sollte man auch berücksichtigen, dass viele dieser Medien sogar eigene… Korrespondenten in Griechenland unterhalten.

Nichtsdestotrotz ist die falsche und undifferenzierte Darstellung nicht zu übersehen. Außerdem wurden wesentliche Informationen zum Thema ganz einfach weggelassen…

Die Zeit

“Mit dem neuen Gesetz müssen künftig mehr als 50 Prozent der Mitglieder einer Gewerkschaft einen Streik befürworten, bevor dieser ausgerufen werden darf”

Tagesschau

“In Zukunft muss die Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder in einem Betrieb einem Streik offen zustimmen, bevor er stattfinden kann”

Süddeutsche Zeitung

“Künftig sollen mehr als die Hälfte der Mitglieder einer Gewerkschaft einem Streik zustimmen müssen, bisher waren es ein Fünftel bis ein Drittel, oft reichte ein Vorstandsbeschluss.”

Deutsche Welle

“Hintergrund der Proteste ist vor allem die drohende Einschränkung des Streikrechts. Eine Arbeitsniederlegung soll künftig nur noch zulässig sein, wenn mehr als die Hälfte der Gewerkschaftsmitglieder zugestimmt hat”

Reuters

“Dieser sieht vor, dass künftig mehr als 50 Prozent der Mitglieder einer Gewerkschaft einen Streik befürworten müssen, bevor dieser ausgerufen werden darf.”

Handelsblatt

“Ein Streik soll dann künftig nur noch legal sein, wenn mehr als 50 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder zugestimmt haben.”

Focus

“Eine Arbeitsniederlegung soll dann nur noch legal sein, wenn mehr als 50 Prozent der Gewerkschafts- oder Betriebsmitglieder zugestimmt haben. Bislang reichten 20 Prozent, in manchen Fällen auch nur der Beschluss des Vorstandes.”

Der Tagesspiegel

“Eine Arbeitsniederlegung soll künftig nur dann legal sein, wenn mehr als die Hälfte der Gewerkschaftsmitglieder zugestimmt haben. Bislang reichten 20 Prozent, in manchen Fällen auch nur der Beschluss der Gewerkschaftsmitglieder des Betriebs”

N-TV

“Die wichtigste Neuregelung: Ein Streik soll künftig nur dann legal sein, wenn mehr als die Hälfte der Gewerkschaftsmitglieder zustimmt. Bislang reichten 20 Prozent, in manchen Fällen auch nur der Beschluss der Gewerkschaftsmitglieder des Betriebs.”

Quellen: Div. Internetquellen (alle mit Links verbunden) / Die Zeitung der Redakteure (EFSYN)

Übersetzung / Lektorat: Kostas Lariseos

Print Friendly, PDF & Email
Share